Gedenkzeichen
für „aufgrund von Homosexualität Verfolgte“
2023 holte mich Eva Eli Taxacher an Bord, um am Dialogprozess im Vorfeld eines Gedenkzeichens für die Verfolgung queerer Menschen mitzuwirken. Der Auftrag kam vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum des Universalmuseums Joanneum (KiÖR). Ich sagte gern zu, anfänglich aus Freude über ein spannendes Projekt, in dem die persönliche Kommunikation in Workshops und die überregionale Vernetzung im Vordergrund standen, und motiviert von der Überzeugung, dass das geschehene Unrecht an queeren Menschen sichtbar gemacht werden muss. Später kam noch die Begeisterung dazu, die die vielen spannenden und berührenden Begegnungen in mir ausgelöst haben.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Eva Eli Taxacher, an das Team des KiÖR und den Projektbeirat sowie an alle Menschen, die sich auf den Dialog eingelassen haben und ihre Erfahrungen, ihr Wissen und ihre Ideen eingebracht haben!
Über das Projekt
Der steiermärkische Landtag hat 2022 der Einrichtung eines Gedenkzeichens für „aufgrund von Homosexualität Verfolgte“ zugestimmt. Das Projekt wurde dem KiÖR zur Umsetzung übertragen. Der nächste Schritt war ein steiermarkweiter partizipativer Prozess, in dem diskutiert wurde, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollten (NS-Verfolgung, Strafverfolgung, Diskriminierung, Opfergedenken, Gedenken an Aktivist:innen …) und welche Begriffe verwendet werden sollten (homosexuell, queer, LGBTIQA+ …).
Diese Fragen haben wir im Frühjahr 2024 mit Expert:innen aus Politik, NGOs, Aktivismus, Bildung, Jugendarbeit, Sozialer Arbeit, Kultur, Wissenschaft, Gedenkarbeit, regionaler Arbeit etc. diskutiert. Wichtige Unterstützung bei der Konzeption kam von Andrea Widmann.
Die Ergebnisse wurden im Herbst 2024 bei einer Feedbackverstaltung präsentiert und als Empfehlung für die Umsetzung an das KiÖR bzw. die Kulturabteilung des Landes Steiermark übermittelt.
Aktuell (Stand April 2024) gibt es noch keine Entscheidung über das weitere Vorgehen.
Historischer Hintergrund
Homosexualität war in Österreich durchgehend von 1918 bis 1971 strafbar; in der Ersten Republik, im Austrofaschismus, Nationalsozialismus, und in der Zweiten Republik. Das Gesetz von 1852 war aus der Zeit der Habsburgermonarchie übernommen worden. Bei Verurteilung drohte eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. In der NS-Zeit wurden zu Haftstrafen Verurteilte in einzelnen Fällen nach der Verbüßung in Konzentrationslager gebracht. Im Deutschen Reich waren schätzungsweise 8.000 bis 15.000 Menschen aufgrund von Homosexualität im KZ.
Der Anteil von Frauen bei den Verfolgten lag bei ca. 3 %. Diese wurden zumeist durch Denunziation verhaftet und verurteilt, während Männer aktiv ausgeforscht wurden. Aufgrund von Homosexualität Verfolgte wurden lange Zeit nicht als NS-Opfer anerkannt. Noch jahrzehntelang wurden Menschen aktiv ausgeforscht, angeklagt und bestraft. Durch die sogenannte „Kleine Strafrechtsreform“ 1971 wurde das allgemeine Verbot homosexueller Handlungen aufgehoben, jedoch neue Tatbestände eingeführt (§ 209, § 210, § 220, § 221), die Homosexuelle weiterhin juristisch diskriminierten. Diese Paragrafen wurden zwischen 1989 und 2002 schrittweise aufgehoben.
Ende 2023 wurde ein Gesetz zur Entschädigung beschlossen. Seit Februar 2024 sind rückwirkend alle Verurteilungen aufgrund von Homosexualität nichtig. Alle Verfolgten (Menschen, die angeklagt, in Polizeihaft oder U-Haft genommen wurden) haben Anspruch auf Entschädigung. Das betrifft geschätzt 11.000 potentiell geschädigte Personen, die noch am Leben sein dürften. (Informationen)
Stimmen
„Der partizipative Prozess war für mich hervorragend organisiert, durchgeführt und moderiert. Besonders bedeutend fand ich jedoch die Möglichkeit, unterschiedliche Standpunkte zu verstehen, darüber zu diskutieren und gemeinsam konstruktive Lösungen zu erarbeiten – sei es hinsichtlich zeitgemäßer Formulierungen, des zeitlichen Rahmens oder der Art des Denkmals sowie der damit verbundenen Kunstvermittlungsstrategien. Ich habe viele wertvolle Einsichten gewonnen, die ich in meiner Arbeit im Migrant:innenbeirat der Stadt Graz und im Women*s Action Forum gut anwenden kann.“ (Irina Karamarković, Sängerin, Komponistin und Autorin)
„Einerseits finde ich die Vernetzung der beteiligten Personen an eurem Projekt sehr spannend und ich habe definitiv auch für meine Arbeit Ideen und Rückschlüsse ziehen können. Ich finde eure strategische Herangehensweise an ein künstlerisches Projekt sehr aufschlussreich, insbesondere bei einem sensiblen Thema wie diesem. Da ich selber Projekte im öffentlichen Raum gestalte, empfinde ich den Prozess als wertvollen und wichtigen Teil, um verantwortungsvoll eine Gesellschaftsgruppe in einem Kunstwerk zu repräsentieren. Awareness mit einem zeitlosen Objekt zu symbolisieren ist eine wunderschöne Herausforderung für Künstler*innen. Ich bin schon sehr gespannt, wie der Prozess weiter verlaufen wird.“
(Yue-Shin Lin, Designerin und Künstlerin)
„Die Veranstaltung zeichnete sich durch eine klare Prozessorientierung aus, mit präzisen Fragestellungen und offener Ergebnisorientierung, wobei ein dynamischer Austausch unter den Teilnehmenden gefördert wurde. Besonders beeindruckend war die Vielfalt der Teilnehmenden in Bezug auf ihren Zugang zum dem Thema. Die Zusammenarbeit gestaltete sich überaus produktiv, wobei die unterschiedlichen Perspektiven sich als maximal gewinnbringend für den Prozess herausstellten. Für unsere Arbeit habe ich wertvolle Impulse zu den Themenkomplexen Diversität und Gedenk- und Erinnerungskultur mitgenommen und eine erhöhte Sensibilisierung in Bezug auf das Thema für unsere Workshops bzw. Stadtspaziergänge im öffentlichen Raum erfahren.“ (Ruth Kathrin Lauppert-Scholz, Granatapfel Kulturvermittlung, Verein Tacheles Steiermark)
„Der Dialogprozess war für mich eine gelungene und bewegende Erfahrung. Die Treffen boten einen Raum, in dem verschiedene Perspektiven der oft hoch ideologisch diskutierten Themenfelder zusammenkamen. Besonders wichtig fand ich den offenen Austausch, der die Komplexität des Themas sichtbar machte. Es ging nicht nur darum, historische Fakten zu sammeln, sondern auch die emotionalen und sozialen Dimensionen der Verfolgung anzuerkennen und zu würdigen. Durch die Gespräche wurde mir erneut bewusst, wie wichtig es ist, solche Erinnerungszeichen nicht nur als Mahnmale für die Vergangenheit zu sehen, sondern auch als Appelle für die Gegenwart und Zukunft“ (Joe Niedermayer, RosaLila PantherInnen)